Medienforum.Berlin startet mit internationalem Expertendialog zu Open Data und Open Government / Tim Kelsey (Großbritannien) und Liia Hänni (Estland) zu Gast in der NRW-Landesvertretung.

„Uns fehlt es an Innovationskultur“, nannte Marc Jan
Eumann (SPD) einen wichtigen Grund dafür, dass Deutschland bislang
noch nicht der internationalen Vereinigung Open Government
Partnership beigetreten ist. Der nordrhein-westfälische
Medien-Staatssekretär sagte beim Medienforum.Berlin, die angestrebte
Online-Transparenz von Politik und öffentlicher Verwaltung benötige
eine neue Kultur, die sich erst allmählich entwickle. Die
nordrhein-westfälische Landesregierung habe sich mit ihrem
Kabinettsbeschluss „Open NRW“ vorgenommen, aus Bürgern Beteiligte zu
machen. Online-Konsultationen zur Medienkompetenz, zur Lage der
Hochschulen oder über die Eine-Welt-Politik hätten zu ermutigenden
Ergebnissen geführt. Bei Open Data gebe es im Land erste Ansätze, es
fehle jedoch eine mit Bund und Kommunen abgestimmte Strategie.

Vor 150 Gästen in der NRW Landesvertretung berichteten Tim Kelsey,
London, und Liia Hänni, Tallin, über den Stand der Entwicklung von
Open Data und Open Government in ihren Heimatländern. Kelsey,
Executive Director für Transparenz und Open Data in der britischen
Regierung, kündigte Umwälzungen im Umgang seiner Regierung mit diesen
Fragen an. Open Data solle zu einer wichtigen Grundlage für die
Entwicklung der digitalen Wirtschaft werden. Einerseits könnten
Trading Funds mit Daten Geld verdienen, andererseits müsse es auch
Services geben, die von Bürgern kostenlos genutzt werden könnten. Das
Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten reiche vom Gesundheitssektor bis
zu Informationssystemen für freie Parkplätze, erklärte Kelsey.

Mit einer Keynote hatte Liia Hänni, von 1992 bis 1995 estnische
Reformministerin, das Medienforum.Berlin eröffnet und drei
Entwicklungsphasen präsentiert, die Estland schließlich zu einem
Vorzeigestaat in puncto E-Government gemacht hätten. Zunächst seien
in Schulen und Internet-Cafés freie Online-Zugänge geschaffen worden.
Anschließend hätten Staat und Verwaltung alle Informationssysteme
erst dezentral vernetzt („X-Road“) und schließlich für alle Bürger
geöffnet. Voraussetzung für den Zugang zu Open Government und Open
Data sei, dass alle Nutzer ihre Identität mit einer elektronischen
Ausweiskarte nachweisen könnten. So ließen sich Wahlen und
Behördenanträge völlig ohne Papier abwickeln. „Wir glauben an die
elektronische Welt und sind stolz, Pioniere in diesem Bereich zu
sein“, sagte Hänni, die inzwischen Programmdirektorin für den Bereich
E-Demokratie/E-Partizipation der eGovernance Academy inTallinn ist.

Kelsey warb in Berlin für einen Beitritt Deutschlands zur Open
Government Partnership. Während Großbritannien – ebenso wie die USA,
Norwegen, Brasilien, Mexiko, die Philippinen und Indonesien – dieser
weltumspannenden Initiative bereits beigetreten sind, hält sich
Deutschland noch zurück. Beate Lohmann, die im Bundesinnenministerium
die Abteilung für Verwaltungsmodernisierung und
Verwaltungsorganisation leitet, verwies darauf, der IT-Planungsrat
lege im Herbst erste Ergebnisse zum Thema vor. Außerdem befinde sich
das E-Government-Gesetz noch in der Ressort-Abstimmung. Das föderale
System von Politik und Verwaltung mache es allerdings schwer, Daten
für die Bürger über ein zentrales Portal („One-Stop-Agency“) einfach
zugänglich zu machen. Die meisten Daten lägen bei den Bundesländern
und den Kommunen und müssten von diesen erst einmal freigegeben und
einheitlich aufbereitet werden. Die Vorreiterrolle von Estland bei
der digitalen Verwaltung, so lobte Lohmann, sei „großartig und
verdient unsere Bewunderung“. In Deutschland aber lägen die Dinge
anders. Bislang gebe es viele gute Einzelinitiativen, aber es fehle
noch ein flächendeckendes Angebot.

Die deutsche Politik und Verwaltung ließen oft noch jegliches
Verständnis für mehr Offenheit vermissen, kritisierte Geraldine de
Bastion. Die Beraterin und Mitbegründerin des Vereins Digitale
Gesellschaft e.V. klagte darüber, im Bundeskanzleramt fehle eine
Initiative, die auch ressortübergreifende Akzente setze. Dadurch
würden wichtige Chancen nicht wahrgenommen. Schließlich könnten
Open-Data- und Open-Government-Prozesse auch wichtige Innovationen
anstoßen und seien letztlich Wettbewerbsvorteile. Auch Stefan Gehrke,
der zu den Gründern des Arbeitskreises Deutschland Open Government
zählt, mahnte einen Paradigmenwechsel an. Open Service sei letztlich
eine Verwaltungskultur, die dazu beitragen könne, dass Bürger ihren
Regierungen wieder mehr vertrauten. Deshalb wolle sein Arbeitskreis
solange aktiv sein, bis Deutschland dem internationalen Bündnis Open
Government Partnership beigetreten sei.

Christiane Bertels-Heering, die stellvertretende Vorsitzende der
LfM-Medienkommission, kündigte in ihrem Schlusswort an, die
internationale Debatte über Open Government werde im Rahmen des 24.
Medienforum.NRW in Köln fortgesetzt. Am 20. Juni wird unter anderen
Juliana Rotich dabei sein. Sie ist Gründerin und Leiterin von
Ushahidi, einer kenianischen Crowdsourcing-Plattform, die online
Informationen und Daten über Kenia öffentlich macht.

Das Medienforum.Berlin ist eine Veranstaltung der Landesanstalt
für Medien Nordrein-Westfalen, gefördert mit Mitteln des Landes
Nordrhein-Westfalen und der Stadt Köln. Verantwortlich für Konzeption
und Durchführung ist die LfM Nova GmbH.

Pressekontakt:
Susanne Land
Pressesprecherin

sland@lfm-nova.de
Fotos zur Veranstaltung: www.medienforum.nrw.de/berlin

Weitere Informationen unter:
http://

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