Digitaler Produktpass: Wenn Produkte sprechen lernen

Digitaler Produktpass: Wenn Produkte sprechen lernen

Es beginnt mit einer leisen Frage, irgendwo zwischen Hörsaal und Labor:
„Wie spricht ein Produkt, wenn es plötzlich etwas zu sagen hat?“

Seit Jahrzehnten reden Marken. Sie werben, bekennen, versprechen. „We Care.“ „For a better future.“ „Be the change.“ Klang schön. Hat wenig verändert.

Jetzt sind die Dinge selbst an der Reihe. In wenigen Jahren wird in Europa kaum noch ein Produkt auf den Markt kommen, das keine digitale Identität trägt – den Digitalen Produktpass. Ein System, das Herkunft, Materialien, CO?-Fußabdruck, Reparierbarkeit und Kreislauffähigkeit dokumentiert. Was nach Verwaltung klingt, ist in Wahrheit der Beginn einer kulturellen Revolution.

Der Digitale Produktpass: Eine kulturelle Revolution
Denn wenn jedes Objekt eine Datenseele bekommt, wenn Information im Material selbst gespeichert ist, dann endet Kommunikation nicht mehr an der Verpackung. Sie beginnt dort.

Genau das erforscht derzeit eine Kooperation zwischen der FH Münster und dem Unternehmen Narravero, das sich als eines der ersten auf die kommunikative Dimension des Digitalen Produktpasses spezialisiert hat. Während viele Anbieter noch mit Datenstrukturen und Verordnungen ringen, bewegt sich Narravero längst im Anwendungsfeld – dort, wo Technologie auf Bedeutung trifft und Kommunikation beginnt.

Denn die eigentliche Herausforderung liegt nicht mehr im Sammeln von Informationen,
sondern darin, sie so zu gestalten, dass sie verstanden, gefühlt und genutzt werden können.

Daten als Einladung zum Dialog
„Ein Digitaler Produktpass ist kein Datenfriedhof“, sagt Dr. Inga Ellen Kastens, Chief Communication Officer von Narravero, „sondern eine Einladung zum Dialog.“

Elf Jahre lang hat Kastens an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelehrt, wie Marken wirklich sprechen. Heute interessiert sie, wie Produkte in Beziehung treten – zwischen Mensch, Marke und KI.

Forschungskooperation: Gestaltung trifft Verantwortung
Auf Einladung von Prof. Dr. Daniel Braun kamen Studierende verschiedener Designrichtungen an der FH Münster zusammen, um diese neue Sprache zu erkunden.

Sie sprechen über Interfaces, Typografie, Emotion. Über Materialästhetik und digitale Intelligenz. Über die Frage, wie Pflichtdaten Lust machen können. Wie man ein Refill nicht als Aufforderung, sondern als Geste erzählen kann. Wie eine Jeans ihre eigene Geschichte fortsetzt oder ein Serum mit dem Nutzer spricht, statt sich leer zu fühlen.

„Wir wollen herausfinden, was passiert, wenn Gestaltung Verantwortung übernimmt“, sagt Prof. Dr. Daniel Braun. „Wenn sie nicht nur verschönert, sondern Beziehungen stiftet – zwischen Mensch, Marke und System.“

Kastens ergänzt: „Die Studierenden sollen den Digitalen Produktpass bewusst nicht als Formular, sondern als Bühne begreifen – als Interaktions-Impuls, der Unternehmen, Marke und vor allem den Zielen der Kreislaufwirtschaft echte Gewinne bringen kann.“

So entstehen an der FH Münster Prototypen, die Daten in Erlebnisse verwandeln –
und damit das vielleicht drängendste Thema unserer Zeit neu erzählen: Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit neu denken: Ästhetik statt Moral
Denn wenn etwas bleiben soll, muss man es fühlen können. Und genau darum geht es:
um die ästhetische Übersetzung von Verantwortung. Um Systeme, die nicht nur funktionieren, sondern berühren. Um eine Generation, die verstanden hat, dass Veränderung nicht durch Appelle entsteht, sondern durch Anschlussfähigkeit.

Vielleicht ist das die eigentliche Pointe dieser Kooperation: Dass Nachhaltigkeit aufhört, moralisch zu sein – und beginnt, relevant zu werden.