Piratenpartei ist die größte Volkspartei – im Internet

Berlin – Im Superwahljahr 2009 liegt die Piratenpartei vorn – zumindest im Internet. Dies ergab eine Messung des Webmonitoring-Dienstleisters Business Intelligence Group (B.I.G.), der den Online-Wahlkampf zwei Monate vor der Bundestagswahl plattformübergreifend auswertete. Es zeigt sich: Das Internet verändert die Regeln der politischen Kommunikation und belohnt die Akteure, die sich mit den Veränderungen auseinandersetzen. So ist die Piratenpartei die stärkste Kraft auf den VZ-Seiten, der mit 14 Millionen Nutzern größten Community in Deutschland. Mit über 38.000 Anhängern sind die „Piraten“ dort beliebter als SPD und Grüne zusammen. Noch deutlicher zeigt sich der Vorsprung auf dem Microblogging-Dienst Twitter: Hier gibt es mehr positive Kommentare zu der Piratenpartei (12.399) als zu allen derzeitigen Bundestagsfraktionen zusammen (10.540). Im direkten Vergleich mit anderen Kleinstparteien, den sogenannten „Sonstigen“, vereinigen die Piraten laut einer Umfrage des Portals onlinewahlen.com sogar 96,5 % der Stimmen auf sich.
Der Erfolg der jungen Partei im Internet, die bei der Europawahl im Juni aus dem Stand fast 1 % erreichte, hat verschiedene Ursachen. Zum einen füllen die Piraten ein thematisches Vakuum, in dem sie sich mit Aspekten wie Datenschutz, Urheberrecht oder der umstrittenen Internetsperre zum Kampf gegen Kinderpornographie beschäftigen. Diese Themen, die in einer vernetzten Gesellschaft mehr und mehr Relevanz gewinnen, werden sowohl von den etablierten Parteien als auch von den klassischen Medien vernachlässigt. Zum anderen verstehen die Macher der Partei, das neueste Medium Internet in all seinen Formen zu nutzen. Neben einem umfangreichen Forum mit knapp 100.000 Beiträgen, beliebten Twitter- und YouTube-Kanälen sowie den Community-Profilen betreibt die Partei eine Online-Enzyklopädie namens Piratenwiki, um ihre Anhänger zu vernetzen. Und der vielbeschworene „Dialog mit dem Bürger“ geht noch weiter, etwa in Form des Piratenspot-Wettbewerbs: Anhänger senden derzeit Wahlwerbespots ein, die auf einer Website vom Publikum bewertet werden. Der von der Online-Gemeinde gekürte Gewinner wird schließlich im Bundestagswahlkampf landesweit ausgestrahlt.
Der rasante Aufstieg und die anhaltende Popularität der Piraten im Web wirft die Frage auf, welche Rolle die neue Partei bei ihrer ersten Bundestagswahl spielen wird. Jörg Schönenborn, Wahlexperte der ARD, hält einen Einzug in das deutsche Parlament für unwahrscheinlich, da die Piratenpartei für die nötigen 2,5 Millionen Stimmen ihr Ergebnis von der Europawahl um das Zehnfache steigern müsste. Doch bei genauerer Betrachtung ist dies eher von sekundärer Bedeutung. Die Piraten haben schon jetzt das gewaltige Potential bewiesen, das auch in Deutschland in der Online-Kommunikation schlummert. Dass sie innerhalb einer Woche alle etablierten Parteien in Deutschlands größtem Social Network überholen konnten, zeigt den Nachholbedarf der Politik bei der stiefmütterlichen Behandlung des Web 2.0. Und nicht zuletzt muss die so oft von Politikmüdigkeit betroffene jüngere Bevölkerungsschicht erwähnt werden, die zu den Stammwählern der Piratenpartei zählt. Gerade junge Menschen wurden und werden über das Medium und das Thema Internet wieder für Politik interessiert und bringen sich in Blogs, Foren und Communities wieder aktiv in die Demokratie mit ein.
Damit unterstreicht der Erfolg der Piratenpartei, dass das Internet den gesellschaftlichen Diskurs nachhaltig verändert, dass die Stimmen im Web zahlreich sind und deshalb gehört werden müssen, und das sich hier neue Chancen der Kommunikation entwickeln, die von Politik und Wirtschaft genutzt werden müssen.

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