Identity-Management – Quo Vadis? Ein Statement von Eckard Vossas

Natürlich haben diese Bereiche durchaus etwas gemein; es gibt aber auch profunde Unterschiede, die sich bereits in der Analyse über den Grad der Reife bemerkbar machen.

Zur näheren Charakterisierung sollte man die folgenden Fragestellungen zugrunde legen:
• Status: Wie ist der Stand der Dinge? Wo steht Identity Management aktuell?
• Ausblick: Wohin bewegt sich Identity Management(Trends, Prognose)? Wohin sollte es sich bewegen (Forderungen)? Welche „Treiber“ gibt es?
• Welches sind die größten Hindernisse und Enttäuschungen in IdM-Projekten?

Manche Thesen gehören in mehr als eine Kategorie: gegenwärtige Hindernisse sind zugleich Anforderungen an zukünftige Entwicklungen.

Beurteilung des gegenwärtigen Status des Identity Managements:

Beurteilung hinsichtlich Enterprise IdM:
• nach Phase der Euphorie im Tal der Ernüchterung
• auf dem Weg zur Konsolidierung und Standardisierung
• innerhalb der nächsten fünf Jahre brauchbare Reife bei Abstrichen in den Anforderungen
• ausgereifte Konzepte und Theorie, aber deutliche Kluft zu adäquater bzw. befriedigender Technik
• Federation in den Kinderschuhen (mehr offene Fragen als Antworten)

Beurteilung bezogen auf Unternehmen:
• die Notwendigkeit eines zumindest pragmatisch ausgereiften IdM ist unbestritten, aber es existiert nach wie vor ein enormer Nachholbedarf zur Optimierung des real existierenden IdM
• viele Projekte sind „überambitioniert“

Beurteilung hinsichtlich Internet IdM (Customer IdM):
• aufgrund anderer Aufgabenstellung und Anforderungen bereits deutlich ausgereifter als IdM innerhalb von Unternehmen
• hinsichtlich Authentifikation und reduzierter Autorisation (darf ein Nutzer auf die Web-Applikation zugreifen, was darf er sehen, keine komplexen Rollenkonzepte) bereits gang und gäbe, d.h. Standard
• Einsatz nutzerbezogener Federation auf dem Weg zum Standard und weit fortgeschritten

Beurteilung hinsichtlich Spezialthemen:
• hier steht man am Anfang
• noch nicht einmal ausgereifte Konzepte (geschweige denn Produkte)

Wohin bewegt sich das das Identity Management (Trends, Prognose) bzw. wohin sollte es sich bewegen (Forderungen, was fehlt) sowie Meinung zu „Treibern“:
• Konsolidierung von Identitätsdaten, zentralisierte Authentifikation, Unterstützung eines sicheren SSO (mit Mehr-Faktor-Authentifikation)
• Autorisation wird absehbar eine dezentrale Angelegenheit bleiben, komplexe technische Rollen werden weiterhin in Endsystemen/Ressourcen verwaltet werden
• Produkte, Tools und Implementierung müssen deutlich preiswerter werden
• die Einführung von IdM-Systemen muss weniger aufwendig und komplex werden, die Technik muss — um das geeignet unterstützen zu können — dahingehend verbessert werden
• der Stellenwert von IdM in Unternehmen muss eine besserer Awareness innerhalb des Managements bzw. der IT-Governance erhalten
• die Fähigkeiten der Technik und Implementierung muss mit den Möglichkeiten der Konzepte und den Erwartungen der Anwender bzw. Entscheider Schritt halten
• Reduktion von Komplexität in beispielsweise Workflows oder Rollenkonzepte durch vermehrten nutzerzentrierten Ansatz und größere Abstraktion/Strukturierung
• user centric approach führt auch im Internet zu höherer Akzeptanz

Treiber:
• Compliance wird zwar zunehmend wichtiger, wird aber dennoch nur in bestimmten Branchen (Banken, Versicherungen, großen Beratungs- und Rechtsanwaltsunternehmen) eine bestimmende Rolle spielen; sonst nicht
• Konsolidierung disparater, verteilter, isolierter, historisch gewachsener Nutzerverwaltungen
• Enabler für brauchbare (automatisierte) Workflows und Prozesse
• Monitoring und Revision (Fragestellungen wie: Wer hat warum auf welche Ressourcen welche Zugriffe? Welche Zugriffe habe ich als Nutzer in welchem Umfang auf welche Ressourcen?)
• Security-Themen, SSO, User Self Service

Welches sind die größten Hindernisse/Enttäuschungen (z.B. bei der praktischen Umsetzung, Einführung):
• mangelnde Verankerung von IdM-Projekten in IT- und Unternehmens-Governance
• selbst wenn man vorher darlegt, dass IdM-Projekte sich nur zu 30% mit purer Technik, aber zu 70% mit Prozess- und Organisationsevoluton befassen, gibt es dennoch hinterher im Umfeld der Geschäftsprozesse und Organisationskompetenzen größte Widerstände (Widerstand von Applikations- oder Fachverantwortlichen; die Windows-Administratoren können sich nicht vorstellen, dass man Automatismen außerhalb Ihrer eingefahrenen Praktiken zulassen darf; die SAP-Verantwortlichen lassen niemanden in ihre „selbstgestrickten“ Implementierungen blicken …)
• die existierenden Produkte sind oft nicht in der Lage, in einfacher Art und Weise den Konzepten zu folgen; es gibt kein System und keine Lösung „Out-of-the-Box“
• Performance-Probleme, zu hohe Komplexität der Implementierungen, zu großer Aufwand bei der Einführung
• „überambitionierte“ Projektziele im Verlauf: auf einmal werden hochkomplizierte Workflows konstruiert, die mit herkömmlichen Mitteln niemand konzipiert hätte bzw. die so vorher nie existiert haben; Unfähigkeit, Rollen zu abstrahieren; die Erwartung, dass Technik alles lösen kann; der Unwille, eingefahrene aber untaugliche Prozesse zu reformieren
• aus Sicht der Budget-Verantwortlichen: warum soll man eine hohe Investition ohne kurzfristigen ROI für ein IT-internes Werkzeug bewilligen, dass zwar die Sicherheit und interne Abläufe verbessert, aber nach Außen keine großartig „sichtbaren“ Resultate zeigen?
• aus Sicht der IT: warum soll man eingestehen, dass man gewisse Dinge und Abläufe nicht im Griff hat?
• für Anwender und Manager sichtbar sind: SSO und User Self Service: das ist aber nur ein Bruchteil von IdM

Identity-Management der Zukunft
• Die Einführung von Identity Management in Unternehmen wird preiswerter, weniger aufwendig und komplex werden; die Technik bzw. Tools und Produkte zum Identity Management müssen sich dem Reifegrad der Konzepte annähern
• Customer Identity Management im Internet mit zentralisierter Authentifikation und reduzierter Autorisation sowie Federation-Prozeduren wird Standard
• Im Enterprise Identity Management wird Autorisation absehbar eine dezentrale Angelegenheit bleiben, komplexe technische Rollen werden weiterhin in Endsystemen verwaltet, Federation wird nur eine geringe Rolle spielen
• Der Stellenwert von Identity Management in Unternehmen wird (ebenso wie Security-Themen und Datenschutz) eine bessere Awareness und Verankerung im Management sowie in der IT-Governance erhalten

SCOPAR-Experte:
Eckard Vossas
Mitglied des SCOPAR-Beratergremiums
Beratungsschwerpunkte:
IT-Architekturen, IT-Strategien, Directory Services, Access & Identity Management, IT-Sicherheit, Kryptographie, IT-Integrationen, Mail- & Messaging-Systeme, Web-Systeme

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